1. Pure Switzerland Rallye-Tag

Pünktlich um 07:00 Uhr haben wir uns im Restaurant Bauernhof, Cham, eingefunden. Wir erhielten letzte Informationen, unsere Startnummern, Kaffee und Gipfeli. Leichte Nervosität lag in in der Luft, vor allem bei denjenigen Teilnehmern, welche auf ihrem Kartenmaterial ganz andere Routen als die Mehrheit der Teilnehmenden eingetragen haben. Das verschmitzte Lächeln der Organisatoren sprach Bände!

'Isabella' war mit Jahrgang 1932 das älteste Fahrzeug und wir erhielten deshalb die Startnummer 1. Exakt um 08:00 Uhr senkte sich für uns die Startflagge und wir starteten direkt mit der 1. Regularity weiter den Inkenberg hoch. Bald gelangten wir über die Nebelgrenze und der Ausblick war ab diesem Zeitpunkt nur noch traumhaft.

Zügig durchfuhren wir die auf der Karte vorbereitete Strecke, fanden tatsächlich alle verlangten Fotosujets und sandten diese via WhatsApp an das Rallye-Office. Bei einer auf der Karte nicht gut sichtbaren Abzweigung nahmen wir prompt den falschen Weg und standen 100 Meter später vor einem Fahrverbot. Wenden war nicht möglich, also fuhren wir diese 100 Meter so rasch wie möglich rückwärts und fuhren ohne weitere Probleme auf der richtigen Strecke weiter. Viel später erfuhren wir, dass einige der nach uns gestarteten Rallye-Teilnehmer alle direkt hintereinander ebenfalls in die falsche Richtung fuhren und alle wieder zurück mussten. Vermutlich haben sie da etwas mehr Zeit verloren als wir .

Zum Glück hatten wir während der Vorbereitungen das Ende der ersten Regularity sehr exakt aus einem vegrösserten Kartenausschnitt herausgemessen, denn die anschliessende Transferstrecke startete genau am Ende der 1. Regularity ohne dass im Roadbook irgendein Anhaltspunkt für den realen Standort aufgeführt war. Wer also beim Ende der 1. Regularity an der falschen Strassenkreuzung stand, fuhr auch schon falsch los und hatte vermutlich einige Mühe, den richtgen Weg zu finden. Diese navigatorische Finesse sollte uns noch den ganzen Tag begleiten ....

Die 2. Regularity ist uns mit einer Ausnahme gut gelungen, wir waren aber zuerst (zum Glück!) viel zu schnell unterwegs. Irgendwo im Bereich Zugerberg wechselte das sowieso schon schmale Strässchen in einen Trampelpfad, welcher mutmasslich ins Nirgendwo führte, resp. vor eine Holzbeige endete. Nach ausgiebiger Konsultation der Karte (mit Lupe!) fanden wir den Fehler und ich musste 'Isabella' auf ziemlich abenteuerliche Art wenden, was dank beherztem Lenkradkurbeln, durchdrehenden Rädern und leichter Drifteinlage recht gut gelang. Keine 50 Meter später fand auch Irene ihre Sprache wieder und wir donnerten zur letzten Abzweigung zurück, mussten dort erneut recht abenteuerlich wenden, bevor wir auf die richtige Strecke zurück fanden. Während des zweiten Wendevorganges kam uns Carlos entgegen und so wussten wir auch, dass wir jetzt entweder richtg oder beide falsch fuhren. Allerdings war Carlos mit der Startnummer 3 ein paar Minuten hinter uns gestartet und so mussten wir ziemlich Zeit aufholen. Zum Glück waren alle 70 Pferde unserer 'Isabella' gesund und munter, so dass wir die verlorene Zeit trotz der rund 2.3 Tonnen Gesamtgewicht fast aufholen konnten.

Der Transfer zur 3. Regularity verlief ohne besondere Ereignisse und auch die 3. Regularity selber gelang nach Wunsch.

Sie wie wir waren recht ratlos, bis Irene an der Stallwand einen Stammbaum der hofeigenen Milchkühe erspähte. Tatsächlich, da gab es einen Vater Armon und die Tochter hiess Sabina!

Wir informierten die Bäuerin, dass vermutlich noch mindestens 10 weitere Fahrzeuge kommen und die Insassen die gleiche Frage stellen würden. Sie dankte für den Tipp und versprach, alle anderen Teilnehmer gleich lang aufzuhalten wie uns, obwohl sie jetzt die Antwort wüsste . Irene und ich fuhren um eine stammbaumgeschichtliche Erfahrung reicher über den angrenzenden Feldweg weiter, wo uns der Bauer auf seinem grossen Traktor entgegen kam. Wir verzichteten aber während des Ausweichmanövers darauf, ihn auf die relativ schwachen Kenntnisse seiner Frau über die Familienkonstellationen der betriebseigenen Milchkühe zu informieren, obwohl es sich bei Sabina um eine Milchkuh mit Auszeichnung handelte! 

Auf dem Weg zum Mittagessen durchfuhren wir Einsiedeln, vorbei an der grossen Klosterkirche über den ersten Damm am Sihlsee. Wegen eines kleinen Navigationsfehlers mussten wir nochmals ein Stück zum letzten Ausgangspunkt zurück und da kamen uns Mario und Carlos entgegen. Wir wussten ja, dass wir falsch fuhren, aber was wurde wohl an Bord der anderen beiden Fahrzeuge diskutiert? Meistens lösen solche Kreuzungen ein flaues Gefühl in der Magengegend des Navigators aus. Natürlich gibt es auch uns bekannte Rallye-Teilnehmer von denen wir wissen, dass wenn sie uns irgendwo  entgegen kommen, wir auf der richtigen Spur sind, aber zu dieser Gruppe zählen wir hoffentlich nicht .

Auf jeden Fall haben wir schnell auf die richtige Strecke zurück gefunden und wurden nur wieder stutzig, als uns das Roadbook am oberen Ende des Sihlsees über den hinteren Damm zurück nach Einsiedeln führen wollte. Das Mittagessen war ja in Oberiberg geplant, also genau in der entgegengesetzten Richtung. Vorsichtshalber fuhren wir in die für uns falsch vorkommende Richtung, haben aber beim Fehlen des nächsten Navigationspunktes gleich gewendet und sind zurück gefahren. Tatsächlich war hier ein Fehlerchen im Roadbook vorhanden und wir gelangten ohne weitere Verzögerungen zum Parkplatz einer Bergbahn. Wir staunten nicht schlecht, dass bereits drei deutlich später gestartete Fahrzeuge da waren, hingegen Marion und Carlos - welche uns ja in Einsiedeln überholt hatten - fehlten.

Das Rätsel war schnell gelöst: Die drei bereits beim feinen Mittagessen sitzenden Paare haben unter Einbezug von vielen Strafpunkten einen direkteren Weg gewählt als wir und Mario und Carlos sind beim fehlerhaften Navigationspunkt länger in die falsche Richtung gefahren als wir. Mit zunehmeder Zeit fanden sich alle Teilnehmenden beim Mittagessen ein, allerdings war der angedachte Zeitplan schon gehörig durcheinander gekommen, so dass die Nachmittags-Startzeiten angepasst wurden.

Nach dem Mittagessen musste direkt beim Restaurantparkplatz ein Parcour um diverse Pylonen gefahren werden. Der Parcour musste zwei Mal durchfahren werden, das zweite Mal in entgegengesetzter Richtung. Sieger wurde, wer alle Pylonen korrekt umrundete, an einem mit Kreide markierten Strich 'astride' (Strich zwischen Vorder- und Hinterachse) anhielt und zwischen den beiden Läufen die kleinstmögliche zeitliche Differenz aufwies.

Den zweiten Durchgang fuhren wir leicht schneller, so dass wir vor der Zieleinfahrt noch etwas Zeit kompensieren und exakt zur gleichen Zeit wie beim ersten Durchgang die Zielline überqueren konnten.

Der Weg zum Start der 5. Reguarity war kurz und führte uns auf die Ibergeregg. Wir fanden die von uns vorbereitete Strecke ins Muotathal auf Anhieb inklusive aller verlangten Fotosujet. Das Ende dieser Regularity war gleichbedeutend mit dem Start der nächsten Transferstrecke und führte uns über den Pragelpass, am Klöntalersee vorbei nach Niederurnen. Der Verkehr über den Pragelpass war beträchtlich und die Ausweichstellen der häufig nur einspurig befahrbaren Strecke waren gut besucht. Den Vogel, resp. den Verkehr abgeschossen hat ein uns entgegenkommender Lastwagen mit mindestens 10 weiteren Fahrzeugen im Schlepptau, darunter auch Holländer, welche mit der kurvenreichen Strecke ziemlich gefordert schienen. Wir konnten den breiten Lastwagen nach mehreren Versuchen mit einem knappen Zentimeterabstand kreuzen, was aber den nachfolgenden Automobilisten im wesentlich schmaleren Fahrzeug komplett zu überfordern schien. Mit viel gutem Zureden und klaren Anweisungen ist dieses Manöver auch bei diesem und den folgenden Fahrzeugen gelungen. Ein paar Kilometer weiter war die Strasse wegen temporären Holzschlages gesperrt und wir warteten knapp ein Viertelstunde, bis es weiter ging. Nach der Passhöhe war eine Bauequipe daran, den Strassenbelag  Meter für Meter aufzureissen und auf einen Lastwagen zu verladen. Immer wenn ein Lastwagen voll war, wurde der aufgerissene Bereich notdürftig eingeebnet und die wartenden Fahrzeuge konnten mehr oder weniger zügig passieren. Alles in allem haben wir auf dem Pragelpass wohl gegen eine halbe Stunde verloren, was unserer guten Laune aber keinen Abbruch tat. Das Wetter war ausgezeichnet, die Temperaturen angenehm und dank des eingebauten Kühlschrankes blieben unsere Getränke kühl .

In Mollis sind wir auf der Suche nach einem gesuchten Bild nochmals etwas herumgeirrt. Auch nach Rückfrage bei der Bevölkerung und nach nochmaligem penibel genauem Anfahren gemäss Roadbook konnten wir das gesuchte Sujet nicht finden und so sind wir unverrichteter Dinge weiter gefahren.

Die 6. Regularity startete bei der Bäckerei Studer in Niederurnen, wo wir uns vorher noch mit Getränken und Leckereien versorgen durften. Auf Grund des schon arg strapazierten Zeitplanes wurde im 2-Minutentakt statt im ursprünglich geplanten 4-Minutentaktes gestartet. Wir durften/mussten nochmals aus dem Vollen schöpfen, um alle verlangten Fotosujets zu finden. Ein grosser Teil der Aufgaben war auf Feldwegen in der Ebene im Bereich Bilten / Reichenburg und mehrheitlich westlich der Autobahn zu lösen. So haben sich denn auch viele Teilnehmer immer wieder gekreuzt oder sind einander (falsch) hinterher gefahren. Wer dies als unbeteiligter Zuschauer beobachtet hatte, fragte sich wohl, wo man diese Horde Autoverrückter losgelassen hat. Dank unserer sorgfältigen Vorbereitung fanden wir alle geforderten Sujets auf Anhieb und konnten auch die vorgegebene Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 km/h bis am Schluss der Regularity recht gut einhalten. Allerdings haben wir uns diesbezüglich etwas zu viel Mühe gemacht, denn bei dieser Regularity wäre 'Early Arrival' erlaubt gewesen. Na ja, nobody is perfect.

Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit wurde die 7. Regularity ausgelassen und wir fuhren nur noch via die vorgesehenen Transferstrecken dem Ziel entgegen. Auch da fanden wir alle verlangten Fotosujet (fast) auf Anhieb, manchmal ist es hilfreich, wenn man die aufgestellten Verkehrsschilder mit allen aufgeführten Bemerkungen bis zum Schluss liest. Zu mindestens meiner Freude ging es nochmals über ziemlich holperige Feldwege, bei welchen 'Isabella' ihre Bodenfreiheit als grossen Vorteil ausspielen konnte und die neu eingebauten Blattfedern den ultimativen Test absolvieren durften (@Marcel M.: Super!). Bis dahin wurden wir von Chris und Rita in ihrem Jaguar verfolgt, jetzt aber konnte Chris, der ja nicht als sonderlich bedächtig fahrende Person bekannt ist, nicht mehr mithalten. Richtigerweise schonte er jetzt sein Fahrzeug und hat uns erst viel später, kurz vor dem Ziel wieder eingeholt.

Die letzte grosse Herausforderung war die Fahrt gegen die untergehende Sonne. Da 'Isabella' über keine Sonnenblenden verfügt, haben Irene und ich mit Händen und Roadbook die Sonne abgeschirmt. So konnte man wenigstens wieder erkennen, wo man fuhr, aber nicht mehr wohin, da das Roadbook als Sonnenblende fungierte. Aber auch diese Aufgabe konnten wir lösen und kamen gegen 19:30 Uhr (statt wie geplant um 17:45) im Ziel an, wo wir im Kreise unserer Freunde ein ausgezeichnetes Nachtessen genossen. Die Preisverteilung fiel kurz und herzlich aus. Wir fuhren mit der Startnummer 1 den ganzen Tag immer an vorderster Front mit und waren glücklich, dass wir jetzt an der Preisverteilung als Letzte aufgerufen wurden (ja, wir haben tatsächlich gewonnen ).

Liebe Lydia, lieber Daniel und Severin: Ihr habt uns mit eurer erstmals ausgerichteten Rallye 'Pure Switzerland 2020' einen herausfordernden Tag mit anspruchsvollen Aufgaben in einer wunderschönen Umgebung präsentiert. Wir können vermutlich nur halbwegs abschätzen, wie gross euer organisatorischer Aufwand war, aber ich kann euch versichern, es hat sich gelohnt und ihr habt uns allen eine grosse Freude bereitet. Herzlichen Dank!

Diese Rallye wird im nächsten Jahr im Raum Ostschweiz eine Fortsetzung haben und wir freuen uns jetzt schon auf die an uns übertragene Organisation der 'Pure Switzerland 2021'!