The 7. Peking to Paris Motor Challenge 21. Juni 2019 - Day 20: Bannoe Lake nach Ufa (380 km)
Auch heute konnten wir wieder bei schönstem Sonnenschein starten und es war ein wahrhaft ruhiger Rallye-Tag. Es gab lediglich einen Rundkurs auf Zeit zu absolvieren, danach folgten drei Passage-Controls und gemäss Plan sollten wir schon um 15:30 Uhr in Ufa sein. Also hatten wir genügend Zeit, uns um Land und Leute zu kümmern, zumal wir gemäss unseren Berechnungen schon um 13:00 Uhr in Ufa ankommen sollten.
Über die ausgesprochen überdurchschnittliche Gastfreundschaft der Russen habe ich schon mehrfach geschrieben und weiter unten werde ich noch einmal darauf zurück kommen. Schön vor allem zu sehen, dass der ganze politsiche Kontrollwahn diese nicht einzuschränken vermag.
Nachdenklich stimmten uns jedoch die vielen Kohlekraftwerke in Kasachstan und Russland. Was die Tag für Tag alles durch ihre Kamine ausstossen, wäre bei uns unvorstellbar. Die Rauchschwaden verdunkeln manchmal den Horizont! Und wir rufen bei uns den Klimanotstand aus? Vielleicht sollten wir einmal über den Tellerrand hinaus schauen und den tatsächlichen Umweltsündern auf die Finger klopfen. Klar, das ist schneller gesagt als getan und sicher nicht einfach. Wir sollten einfach wieder mehr die Verhältnismässigkeit wahren. Aber nun genug der politisch gefärbten Ansichten, Rom wurde auch nicht in einem einzigen Tag erbaut und jeder kann immer zuerst vor der eigenen Haustür wischen.
Tatsächlich waren wir kurz vor 13:00 Uhr in der Nähe von Ufa und suchten einen Car-Wash-Salon auf. 'Isabella' stand vor Dreck und hatte eine Wäsche mehr als vedient. Mit Hochdruck wurde sie vorgereingt und dann gehörig eingeseift. 'Isabella' ist ja schon mit fast allen Wassern gewaschen worden, aber diese Seifenlauge hat dem Ganzen nun die Krone aufgesetzt. Keine Ahnung, was das für eine Brühe war, aber 'Isabella' glänzte 10 Minuten später wie neu lackiert. Etwas nachdenklich stimmte mich die Tatsache, dass die rotbraune Grundierungsfarbe der in Novosibirks durch Sybille gelieferte Bremstrommel ebenfalls verschwunden war, nur noch das blanke Metall war zu sehen. Nun ja, wir hatten schon grössere Probleme. Nach der Wäsche sprang 'Isabella' nicht mehr an. Der Reiniger hatte gründliche Arbeit geleistet und auch den Zündverteiler durch die Lüftungsschlitze der geschlossenen Motorhaube geflutet. Wir trockneten alles fein säuberlich und konnten 5 Minuten später losfahren.
Kurze Zeit später fanden wir den Weg zu einer Lada-Garage. Wir wollten für den Ölwechsel einen Lift mieten und verständigten uns mit allen erdenklichen Mitteln. Diese Lada-Garage war modernster Ausführung mit einem riesigen Show-Raum und alles - inklusive der Werkstatt - war klinisch sauber. Zuerst musste ein Werkstattauftrag erstellt werden, aber mit dem Auslesen meines schweizerischen Fahrzeugausweises hatten die ihre liebe Mühe. Drei Personen versuchten, die nötigen administrativen Arbeiten zu erledigen, während Röbi unsere 'Isabella' bereits auf dem Lift parkieren und mit den Arbeiten beginnen konnte. Das mit dem Werkstattauftrag wollte einfach nicht klappen und ein Mitarbeiter erklärte mir, er könne kein Erstzulassungsdatum vor dem 1.1. 1950 eingeben. Nun ja, das war ja nicht mein Problem - was er auch verstand - und zeigte mir dann auf dem Taschenrechner den mutmasslichen Preis: Rund 530 Rubel, also ca. CHF 9 waren vorkalkuliert.
Während Röbi und ich den Ölwechsel mit unserem eigenen Öl vornahmen, den Kardanwellenschutz besser montierten und das Hinterachsöl komplettierten, kam der Werkstattbetrieb zusehends zum Erliegen. Gegen Schluss haben uns 15 Personen inklusive des Verkaufspersonal umringt (ist fotografisch belegt!) und schauten uns bei der Arbeit zu. Wir wollten dem Betrieb möglichst wenig zur Last fallen und verwendeten unser eigenes Werkzeug und unsere eigenen gut gebrauchten Arbeitshandschuhe. Dies wiederum hinterliess nachhaltig Eindruck und sie brachten uns 10 Paar Arbeitshandschuhe, 2 Spraydosen Reinigungsmittel, 1 Dose RV40 (russiche Variante unseres WD40), Scheibenputzmittel, Microfaser-Tücher sowie 3D-Abziehkleber der Lada-Garage, welche wir hinten an 'Isabella' unter den aufmerksamen Augen aller montierten.
Nach einer ausgiebigen Foto-Session wollte ich die vorkalkulierten 530 Rubel zahlen, aber das wurde jetzt durch den ebenfalls hinzu gestossenen Fillialleiter ganz energisch abgelehnt. Also verschenkte ich weitere 4 Victorinox-Taschenmesser (diese sind in Russland ein Begriff wie Rolex, Prada etc.) und unter grossem Gewinke und Applaus wurden wir aus der Garage entlassen. Eines hätte mich schon noch interessiert: Wie wurde der angefangene Werkstattrapport wohl abgeschlossen?
Nach einem kurzen Weg durch das nachmittägliche Verkehrsgetümmel gelangten wir zum Hotel, wurden einmal mehr mit Pauken und Trompeten, resp. irgendeinem Geflöte empfangen und gingen nach dem Abholen des Zimmerschlüssels direkt zum Bier über.
Mogen ist ein Ruhetag und ausser etwas Aufräumen müssen wir gar nichts tun und können ausschlafen. Mal schauen, ob heute Abend im Hotel eine russische Hochzeit statt findet .
Nachtrag für technisch Interessierte:
Unser Tachometer wird von einem Induktivgeber bei der Kardanwelle mit zwei Impulsen pro Wellen-Umdrehung angetrieben. Ab dem 4. Tag zeigte der Tachometer bis ca. 80 km/h korrekt an, nachher nur noch den halben Wert. Wir konnten den Fehler nicht finden, resp. waren auch zu faul zum Suchen (wen interessiert denn hier schon die Geschwindigkeit, so lange die Hupe laut genug ist ). Jedenfalls funktioniert der Tachometer nach dem Seitenaufprall in Astana wieder korrekt!
Zudem hat das durch den Aufprall hochgedrückte Trittbrett auch Vorteile. Es sitzt sich jetzt wesentlich bequemer, weil die Beinfreiheit grösser ist. Wir werden das bei der Reparatur berücksichtigen müssen.